Mit fast 700 Studienplätzen pro Jahr, ist die Medizinische Universität Wien mit Abstand die größte humanmedizinische Fakultät Österreichs.
Die MUW als Standort
Der Universitäts-Campus liegt zwar offiziell am Gelände des Allgemeinen Krankenhauses, AKH, das mit über 2000 Betten übrigens ebenfalls das größte im ganzen Land ist, in Wahrheit sind die Gebäude, die zur MedUni Wien gehören, aber über einen Großteil des 9. Bezirks verstreut. In den ersten Jahren, ist man für Vorlesungen, Seminare und Praktika, die allermeiste Zeit in der Schwarzspanier Straße zuhause. Ab dem dritten oder vierten Jahr, finden die Vorlesungen und Seminare dann endlich fast ausschließlich im AKH statt. Da es doch recht anstrengend sein kann, an einem Tag in drei verschiedene Gebäude zu müssen, ist es anfangs wirklich eine Erleichterung, wenn man den ganzen Tag am AKH verbringen darf. Bis man bemerkt, wie sich dort durch die absolute Abwesenheit von Fenstern und einen strikt über Fußboden und Wände durchgezogenen, penetranten Orange-Ton, langsam erste depressive Episoden einschleichen, ist es oft schon zu spät. Aber Spaß beiseite: So oft sind die meisten Medizinstudenten eigentlich gar nicht an der Uni, weil die Motivation sich alle Vorlesungen anzuschauen irgendwann der Realität weicht, dass man eigentlich nur mehr dort ist, um mit Studienkollegen zu quatschen.
Der erste Abschnitt
Die ersten beiden Semester sind für einen sanften Einstieg ins Uni-Leben an der MUW recht gut geeignet. Neben den ersten Vorlesungen, zu denen jeder noch ganz übermotiviert erscheint, gibt es erstmal ein soziales Praktikum, in dem man den Umgang mit teils schwerbehinderten oder stark dementen Menschen lernt. Für mich persönlich war das soziale Praktikum zwar nicht angenehm, weil ich mit meinen 19 Jahren noch etwas überfordert damit war, ich konnte zwischenmenschlich aber definitiv etwas mitnehmen. Im nächsten Praktikum das ansteht, lernt man Erstmaßnahmen wie die Reanimation kennen, damit man, wenn man in eine Notfallsituation kommt und als Medizinstudent aus der Menschenmenge hervorgeschubst wird, auch tatsächlich weiß, was zu tun ist. Außerdem stehen im ersten Semester gleich drei größere Prüfungen an: Die Anatomie-Prüfung und zwei SIPs, also summative integrative Prüfungen. Zu denen komme ich am Ende noch.
Der zweite Abschnitt
Der zweite Abschnitt umfasst im Grunde das zweite, dritte und vierte Jahr. In diesen drei Jahren sollen die Grundlagen der wichtigsten Fachbereiche vermittelt und dazugehörige Basisfertigkeiten erlernt werden. Gleich zu Beginn, im 5. Semester, steht die wohl berüchtigtste Prüfungswoche des gesamten Curriculums an: Block 9, DIE Pharmawoche. Eine Zeit, in der die Studenten ihr Gewicht halbieren, weil sie vor lauter Angst nichts mehr essen können oder sich sogar übergeben müssen. Ich persönlich habe von „normalem“ dreifachem Espresso, sogar auf Koffeintabletten umsteigen müssen, um Zeit und Geld zu sparen. Wie es anderen Kollegen ging, die an gewisse Professoren geraten sind, möchte ich mir an dieser Stelle gar nicht ausmalen. Ich möchte dir jetzt keine Angst machen. Im Gegenteil: Die Pharmawoche hat uns alle gelehrt, dass die Geschichten über solche schrecklichen Prüfungen, auch wirklich nur Geschichten sind. Natürlich vergeben viele Profs schnell Ersatzleistungen, wenn man mal was nicht weiß, aber diese Ersatzleistungen sind wirklich gemütlich und relativ einfach zu bestehen.
Was im zweiten Abschnitt auch noch ansteht, ist der Sezierkurs, in Wien auch „Organmorphologie“ genannt. Seit Beginn des Studiums habe ich diesem Kurs entgegengefiebert. Die erste Leiche zu sehen, war schon ein aufregender Moment. Tatsächlich sehen die Körperspender aufgrund der langen Lagerung in Formalin aber gar nicht mehr so menschlich aus. Nach einigen Einheiten vergisst man außerdem, dass man gerade einen Körper präpariert, der irgendwann auch mal so lebendig war, wie du und ich.
Der dritte Abschnitt
Der klinische Abschnitt umfasst zunächst das 5. Jahr, in dem man in Krankenhäusern auf verschiedenen Abteilungen rotiert und so praktisch je nach Lehrpersonen und Eigeninitiative, praktisch sehr viel mitnehmen kann. Nach der letzten SIP startet man dann ins 6. und letzte Jahr, das auch als „klinisch-praktisches Jahr“, kurz KPJ, bezeichnet wird. Hier arbeitet man eigentlich schon ganz normal im Krankenhaus, auf verschiedenen Abteilungen, und bekommt dafür eine Aufwandsentschädigung von 650€ brutto. Dieses System ist eigentlich auf allen Universitäten in Österreich gleich, also nicht MUW-spezifisch. Der Abschluss des Studiums, sofern man mit seiner Diplomarbeit schon fertig ist, die man zeitlich parallel zum Studium irgendwie einquetschen muss, ist die sogenannte „Return-Week“. Eine Woche lang wird man mündlich über den Stoff des KPJs geprüft. Danach erhält man Diplom und Titel und ist endlich offiziell Ärztin oder Arzt.
Die SIPs
Die MedUni Wien ist bekannt für ihre Prüfungsmodalitäten in Form von SIPs. Das sind Ganz- oder Halbjahresprüfungen mit relativ großem Stoffumfang. Der Clou dabei: Es gibt eine riesige Sammlung an Altfragen, die jedes Jahr verwendet werden. Es gibt zwar auch Neufragen, allerdings reicht es, abgesehen von der SIP5, wenn man sich beim Lernen auf die alten Fragen konzentriert. Dazu verwenden wir eine Karteikarten-App namens „Anki“, die sich übrigens auch für deine Vorbereitungen auf den MedAT eignet. Spätestens im Studium wird sie ohnehin zu deinem größten Freund und Feind zugleich werden.
Ob dieser Modus Sinn macht, ist meiner Ansicht nach sehr fragwürdig. Richtig viel vom Stoff, versteht man so nämlich nicht. Dass man von knapp 700 Studierenden schwer Fragen im Offene-Antwort-Format prüfen kann, ist zwar logisch, dennoch sind die SIPs sicherlich nicht das beste, was die MUW zu bieten hat. Das heißt aber nicht, dass wir nicht locker mit den anderen Unis mithalten können: Die Praktika und Seminare finden im Kleingruppen-Format statt. Man ist also nur zu zehnt eingeteilt und somit durchaus gezwungen, sich vorzubereiten und währenddessen etwas zu leisten und mitzunehmen.
Meiner persönlichen Einschätzung nach, macht es von Ausbildungsseite her keinen Unterschied, an welcher öffentlichen Universität du mit dem Medizinstudium beginnst. Jede Uni legt ihr Augenmerk auf andere Dinge, im KPJ merkt man aber, dass die Studierenden im Endeffekt ähnlich gut vorbereitet wurden. Was beim Medizinstudium in Wahrheit zählt, ist der eigene Wille, etwas zu lernen. Derjenige, der sich zuhause hinsetzt und die Zeit die zur Verfügung steht, sei es daheim oder in Praktika, aus Eigeninitiative nutzt, wird am Ende mit dem meisten Wissen aus dem Studium gehen können.
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