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Die erste chirurgische Famulatur an der Uniklinik für Orthopädie in Graz

Inhaltsverzeichnis

Im Gegensatz zu den Medizinerkollegen in Deutschland, die während der Vorklinik im Pflegepraktikum drei Monate geknechtet werden, darf man als Student einer österreichischen Universität bereits sofort nach Erlangung der sogenannten Famulaturlizenz seine erste Famulatur absolvieren. Da man aber nach dem ersten Jahr Medizinstudium so viel klinisches Wissen vorzuweisen hat wie ein Stuhl mit drei Beinen, stellt sich unweigerlich die Frage: in welchem Fachbereich ist eine Famulatur so früh am sinnvollsten?

Meine Wahl fiel auf die Uniklinik für Orthopädie in Graz (damals noch eigenständig und ohne Traumatologie), da mir von einigen erfahreneren Kollegen nahegelegt wurde, dass man für allgemeine chirurgische Fächer wie Orthopädie und Unfallchirurgie nicht gerade Dr. House sein muss.

Beginn der Famulatur

Nach langer vorangegangener Ausforschung der Website der Universitätsklinik, der Chefarzt-Vita sowie der Anschaffung eines Kurzlehrbuchs für Orthopädie, startete meine erste Famulatur ganz gemütlich an einem warmen Montag Mitte August. Die Organisation auf der Orthopädie in Graz ist ziemlich gut, weshalb man den Weg zum Sekretariat am ersten Tag sehr einfach finden konnte. Wir bekamen jeder ein eigenes Telefon sowie einen Kittel und eine Hose vom Sekretariat ausgehändigt und sollten uns anziehen und auf die Station begeben.

Gerade auf der Station angekommen, klingelte mein mir neu ausgehändigtes Telefon. Ich ging ran mit den Worten: „Famulant Tafrali, hallo.“ Die männliche Stimme fragte im Gegenzug direkt: „Sind Sie der neue Famulant?“ Ich: „Ja, genau.“ Die Stimme wieder: „In den OP.“ – und legte auf. Tja, das geht ja flott, dachte ich mir nur und ging in den OP-Trakt. Dort angekommen muss man als Famulant klingeln, da man logischerweise keinen Schlüssel bekommt. Nach einer Kamerakontrolle wird man dann aber reingelassen. Nach Begutachtung des OP-Plans sah ich, dass der OP-Saal 3 gerade von der Orthopädie genutzt wurde – das musste wohl der Richtige sein. Ich zog mich um und ging durch die OP-Schleuse und dann in den besagten Operationssaal. Sofort kam mir ein Assistenzarzt entgegen und fragte: „Bist du eingewaschen? Du stehst so unsteril.“ Ich daraufhin: „Ähm, nö.“ Als Antwort wies er mich nur an, ich solle die chirurgische Händedesinfektion durchführen. Danach ging alles ziemlich schnell.

Erster Tag der ersten Famulatur als erster Operateur

Ich kam chirurgisch händedesinfiziert und mit den Fingern vor der Brust verschränkt wieder in den OP-Saal. Es kam die sterile OP-Schwester zu mir und gab mir Anweisungen einen sterilen OP-Mantel anzuziehen. Nach der traditionellen Pirouette zum Zuknüpfen des sterilen Mantels und der ausholenden Armbewegung zum doppelten Anzug der OP-Handschuhe stand ich nun da. Parallel dazu hatte der ebenso in den OP-Saal eingetretene Oberarzt sich selbstständig steril angezogen und auf einen kleinen Drehhocker am Operationstisch gesetzt. Ich schaute ihn an, während er eine Drehung auf dem Hocker durchführte, mich ansah und mir daraufhin zurief: „Komme Doktor, operiere, operiere!“ (er war kroatischer Herkunft). „Haha, ja klar!“ dachte ich nur. Doch er schaute mich mit einem unbeugsamen, anhaltenden Blick an. Meinte der das wirklich ernst? In diesem Bruchteil einer Sekunde blieben mir nur zwei Optionen. Entweder ich lachte nervös los und sagte: „Nein, nein, ich bin noch ganz früh im Studium und hab keine Ahnung vom Operieren oder der Medizin allgemein!“ Oder aber ich setze einen selbstbewussten und bestimmten Blick auf, gehe mutig zum OP-Tisch und operiere an meinem ersten Tag einen waschechten Patienten. Natürlich entschied ich mich für Letzteres.

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Ich setzte mich auf den Hocker direkt am Operationsgebiet, dem linken Fuß eines schon anästhesierten Mannes, und schaute den Oberarzt an. Der bat die OP-Schwester ihm Skalpell und weiteres Operationsutensil, das aussah wie Hammer und Meißel, zu überreichen, die er wiederrum mir in die Hand drückte. „Ach du heilige Guacamole Deniz, du schneidest gleich einen Patienten auf.“ ging es mir nur durch den Kopf. Der Oberarzt schaute mich an, nickte mir zu und erklärte mir genau wie ich den ersten Schnitt zu setzen hatte (die Operationsfläche war natürlich vorher desinfiziert und vorbereitet worden). Ich schluckte und machte einen ca. 3 cm langen Schnitt entlang des Metatarsus II (zweiter Mittelfußknochen) des Patienten, der bis zum Knochen runterging, während der Oberarzt mit einem sogenannten Kauter, einem elektrisch geladenen Stab der kleinflächig das Operationsgebiet verbrennt, etwaige Blutungen stillte. In meinen damals 22 Lebensjahren hatte ich mich noch nie derart konzentriert. Denn man muss bei diesem Schnitt vorsichtig sein, genau zentral bleiben sowie geradlinig schneiden, da man ansonsten eine der Arteriae metatarsales dorsales verletzen könnte – und die bluten dann tierisch. Das wusste ich alles damals schon zum Glück.

Die Operation

Als nächstes wurden der OP-Schwester die kleinsten Haken, die ich in meinem Leben je gesehen habe überreicht, mit denen sie die Schnittränder offenhielt. Jetzt wies mich der Oberarzt an, den Hammer und die Meißel in die Hand zu nehmen und damit ein Loch in den Knochen zu schlagen – das machte ich dann auch. An Stellen wo ich zu zimperlich war, stöhnte er laut auf und sagte streng: „Kräftiger, traue dich!“ So eröffnete ich den Knochen und wir hatten vor uns: nicht das Knochenmark? Stattdessen befand sich im Mittelfußknochen des Patienten eine Art gutartiger Tumor, ein sogenanntes intraossäres Ganglion – das galt es nun zu entfernen. Mir wurde ein kleiner aber langer, scharfer Löffel überreicht, mit dem ich das Ganglion entfernen sollte. Als ich fertig war, sagte der Oberarzt: „Na-na, Herr Doktor das‘ nicht ganz fertig – ich machen!“, und er übernahm (anscheinend hatte ich ein paar Tumorzellen übersehen).

Während wir operierten war der anfangs erwähnte Assistenzarzt am Beckenkamm des Patienten am Werkeln. Wie sich herausstellte, entnahm er der Hüfte Knochenmark, damit wir den Mittelfußknochen, den wir mittlerweile komplett leer geschabt hatten, wieder mit sinnvollem Inhalt füllen konnten. Der Oberarzt knetete aus dem Hüft-Knochenmark einen perfekten Zylinder mit dem genauen Volumen des Mittelfußknochens und setzte ihn daraufhin ein. Wir nähten den Patienten zu, ich bedankte mich bei den Ärzten und der OP-Schwester und die Operation war beendet.

Was war gerade passiert? Habe ich eben ernsthaft noch vor dem Ende meines ersten Jahres einen Patienten operiert? Als die Anspannung und der Druck in mir abfielen spürte ich, wie stattdessen Euphorie in mir aufstieg – und die war an diesem Tag nicht mehr zu stoppen.

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