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Götter in Weiß – Klischees über Medizinstudenten und was wirklich dahintersteckt

Inhaltsverzeichnis

Götter in Weiß – das wären wir Mediziner doch alle gerne. Zumindest wenn man den Vorurteilen und Klischees, die sich über die letzten Dekaden in der breiten Öffentlichkeit festgesetzt haben, Glauben schenken mag. Da des Öfteren ein kleiner oder größerer Funken Wahrheit hinter solchen Behauptungen steckt, wollen wir das Ganze in diesem Artikel etwas genauer beleuchten. 

Welche Vorurteile hast du gegenüber Medizinstudent:innen? Da ich persönlich niemanden in meinem Umfeld hatte, der schon Medizin studiert hat, hatte ich auch kaum Mythen im Kopf, als ich mit dem Studium angefangen habe. Im Laufe der Jahre habe ich dann aber ganz schön viele zu hören und manchmal auch zu spüren bekommen. Dabei sind nicht alle Klischees zwangsweise schlecht. Bei einigen fühlt man sich sogar durchaus geschmeichelt. Das heißt aber leider nicht, dass sie auch wahr sind. 

Wenn du wissen willst, was hinter den Vorurteilen rund um Medizinstudierende steckt und welche Erfahrungen ich gemacht habe, dann bist du hier an der richtigen Adresse. Womöglich erkennst du dich als angehender Medizinstudent oder angehende Medizinstudentin ja in dem ein oder anderen Klischee wieder? 

Klischee Nr. 1: „Das sind doch sowieso alles Arztkinder, die mal Papis Praxis übernehmen.“

Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass ich nicht mit einem ganzen Haufen „Arztkinder“ gerechnet habe, als ich ins Medizinstudium gestartet bin. Allerdings war ich schnell überrascht, als das dann doch nicht der Fall war. Na klar, es gibt einige, bei denen entweder ein Elternteil, oder sogar beide Ärzte sind. Und bei manchen sogar noch sämtliche Geschwister, Cousins und Cousinen und nicht zu vergessen deren Ehepartner. Da ist es halt nicht verwunderlich, wenn man selbst auch diesen Weg geht. Ich muss aber dazusagen, dass es bei weitem nicht so viele waren, wie ich erwartet hatte. Und was noch viel wichtiger ist: Keinem, den ich getroffen habe, hätte ich das angemerkt. Soll heißen, dass sich zumindest nach meinen Erfahrungen niemand dadurch profiliert oder definiert hat. Im Gegenteil, manchen war es sogar unangenehm von ihren Eltern in hohen ärztlichen Positionen zu erzählen. Vermutlich ist der Grund dafür eben genau dieses Klischee. 

Wer für sein Studium also an eine öffentliche medizinische Universität geht, ist als Nicht-Arztkind in bester Gesellschaft. Ob das bei den privaten Universitäten in Österreich anders ist, kann ich dir leider nicht sagen. Und selbst wenn es so wäre: Im Studium kommt man deshalb nicht besser durch. Und spätestens, wenn du selbst irgendwann Arzt oder Ärztin bist, interessiert sich zum Glück niemand mehr dafür, wo du eigentlich herkommst. 

Klischee Nr. 2: „Die Unis sind die reinsten Heiratsbörsen!“

Das liegt einfach daran, dass man unheimlich viel Zeit mit seinen Unikolleg:innen verbringt. Durch das durchtauschen der Kleingruppen lernt man ständig neue Leute kennen und trifft sich regelmäßig bei Festen und Partys wieder. Da der allergrößte Teil davon junge, offene Menschen sind, ist es nicht verwunderlich, dass da die ein oder andere Anziehung entsteht. Am Ende des Tages sind wir doch alle nur Tiere! 

Aber Spaß beiseite. Mal abgesehen von zwanglosen Geschichten, haben sich in meinem Bekanntenkreis an der Uni tatsächlich eine überraschend große Zahl an Pärchen gebildet. Soweit ich weiß, sind die meisten davon bis heute zusammen und glücklich. Ein Ärztepaar zu sein hat nämlich viele Vorteile. Man versteht, wenn der Partner über Monate bis spät in die Nacht lernen muss oder zum dritten Mal in der Woche das geplante Abendessen verpasst, weil der Dienst länger gedauert hat. Außerdem hat man ein gemeinsames Interesse. Obwohl es nicht jedermanns Sache ist, nach der Arbeit gleich wieder über die Arbeit zu sprechen, hat man doch ein beständiges Gesprächsthema. Arbeitet man an verschiedenen Abteilungen, fällt in der Regel auch das Problem mit dem „Konkurrenz-Denken“ weg, das bei manchen Mediziner:innen doch ganz tief verwurzelt ist. Man kann sich während dem Studium gegenseitig pushen, Stoff abprüfen und sich an Deadlines erinnern und hat dadurch Lern- und Liebespartner in einer Person, was wirklich praktisch sein kann. Es ist also ein Funken Wahrheit an diesem Klischee. Meiner Meinung nach, aber ein ziemlich schöner Funken. 

Klischee Nr. 3: „Medizinstudenten glauben ab dem ersten Tag, sie seien eh schon Ärzte.“

Unter dem Stichwort „Wir Mediziner“ werden die Studenten aus den unteren Semestern gerne aufs Korn genommen. Wer mit diesen Worten einen Satz beginnt, sollte sich gut überlegen, wie er den Satz beenden will. Die meisten Aussagen wirken in diesem Zusammenhang nämlich außerordentlich überheblich. Vor allem, wenn man in seinem Leben noch kein einziges Mal mit einem Patienten in Berührung gekommen ist. 

Die Erfahrung, dass einige wenige meiner Mitstudenten glauben, nach dem ersten Anatomie-Kurs schon einen abgeschlossenen Chirurgie-Facharzt zu haben, habe ich leider auch gemacht. Das waren aber Ausnahmen und ich gehe davon aus, dass selbst diesen Spezialisten ihr Selbstbewusstsein bei so manchen Prüfungen in die Hose gerutscht ist. 

Womit ich im Studium zu kämpfen hatte, war den Punkt zu finden, ab dem man sagen darf: „Ich kenne mich jetzt breitgefächert mit der Medizin aus.“  
Spoiler: Ich warte immer noch. 

Klischee Nr. 4: „Die nehmen doch alle Ritalin.“

NEIN! Ein großes, nachdrückliches NEIN an dieser Stelle. Die Stoffmengen, die man zeitweise in extrem kurzen Abständen in sich hineinprügeln muss, sind zwar enorm, dass man deshalb aber ein Medikament, das eigentlich für Menschen mit ADHS gedacht ist, in sich schüttet, ist und bleibt ein Mythos. Im Studium – zumindest was meinen Freundeskreis angeht – sind wir alle sehr offen mit unseren Ängsten und den Umgang damit, gewesen. Dass jemals jemand eine Substanz rein zur Konzentrationsförderung eingenommen hat, wäre mir nie untergekommen. 

Exkurs zu Ritalin

Methylphenidat, so heißt der Wirkstoff in Ritalin, wurde in den 1950er Jahren von Leandro Panizzon hergestellt. Der Handelsname „Ritalin“ leitet sich vom Spitznamen seiner Frau Marguerite „Rita“ ab. Die Wirkungen sind Unterdrückung von Müdigkeit, Erhöhung der körperlichen Leistung, Hemmung des Appetits, Verminderung von Schmerzwahrnehmung und Erschöpfungsgefühl. Das funktioniert über eine Verstärkung beziehungsweise Verlängerung der Wirkung von Noradrenalin und Dopamin. Dadurch kann Patienten mit ADHS, also dem Aufmerksamkeits-Defizit-/Hyperaktivitätssyndrom, geholfen werden, sich länger auf eine Sache zu konzentrieren. 

Wäre es manchmal einfacher gewesen, sich Ritalin einzuwerfen? Ja, na klar. Aber mal abgesehen davon, dass man gerade als Medizinstudent weiß, welche Nebenwirkungen das mit sich bringt, kann man nicht einfach in ein Krankenhaus oder eine Apotheke spazieren und jedes Medikament mitgehen lassen, auf das man gerade Lust hat.  

Die Droge, unter der wir alle zwangsweise gestanden haben und von der ich bis heute nicht losgekommen bin, ist folgende: Kaffee. Literweise. Spektakulärer wird es leider nicht. 

Klischee Nr. 5: „Medizin ist das schwerste Studium und die Studenten machen nichts anderes als zu lernen.“

Zum Glück ist dieser Mythos ganz weit weg von der Realität. Zum einen ist Humanmedizin ganz sicher nicht das schwerste Studium. Die Quote, mit der bei uns das Studium in Mindeststudienzeit abgeschlossen wird, liegt bei annähernd 100%. Das ist natürlich auch dem MedAT zu verdanken, weil dadurch keine Knock-out-Prüfungen mehr notwendig sind. Während die Erstis an anderen Universitäten reihenweise durch ihre STEOPs rasseln, gibt es an den öffentlichen medizinischen Unis keinen Grund mehr, das Studentenklientel noch weiter auszusieben. Dass man genügend Wille hat, um die sechs Jahre durchzustehen, hat man mit dem MedAT und den dazugehörigen Vorbereitungen schon bewiesen. Das Studium ist glücklicherweise so aufgebaut, dass man immer genügend Chancen hat, doch noch zu bestehen, wenn es mal mit einer Prüfung nicht klappt.  

Dass nicht alles immer so easy ist, kann man nicht leugnen. Es gibt tatsächlich Zeiten, in denen man nichts anderes mehr macht, als zu lernen. Wenn die vorbei sind, folgt aber meistens eine relativ lange Phase, in der wieder wenig bis gar nichts zu tun ist. Man kann die Zeit also super nutzen, um die Vorteile des Studentenlebens auszukosten. Meistens ist das dann der richtige Zeitpunkt um an Klischee Nummer 2 anzuknüpfen. 

Klischee Nr. 6: „Medizinstudenten und Alkohol gehören einfach zusammen.“

Jaja, es ist so eine Sache mit dem Ethanol. Leider lässt einen die Tatsache, dass man die genaue chemische Bezeichnung kennt, nach dem achten Bier auch nicht mehr so schlau wirken. Ich kann zwar nicht einschätzen, ob Medizinstudenten beim Feiern wirklich tiefer ins Glas schauen als andere Studenten, zu meinen Hochphasen staunten meine Mitbewohnerinnen aber meistens nicht schlecht. Mehr sage ich an dieser Stelle mal lieber nicht dazu. Wer gerne mit Freunden ausgeht, ist im Medizinstudium jedenfalls garantiert gut aufgehoben. An After-SIP-Ständen, Med&Law Partys, Medical Tuesday und Co. kommt man eben nur schwer vorbei. Und das ist nur das Angebot in Wien. Ich bin sicher Innsbruck, Graz und Linz stehen uns hier in nichts nach. 

Klischee Nr. 7: „Es wird keine Gelegenheit ausgelassen, um übers Studium zu reden.“

Ganz ehrlich: Wenn man monatelang für den MedAT lernt, sich sein Leben lang nichts sehnlicher wünscht, als Medizin zu studieren und es dann endlich klappt – Wer kann sich da schon zurückhalten? Gerade die Medizin ist für viele in dieser Zeit etwas, über das man sich teilweise definiert und worauf man stolz ist. 

Zu Beginn des Studiums war ich so glücklich wie schon lange nicht mehr. Die Motivation ist nur so aus mir herausgesprudelt. Weil aber in meinem engsten Umfeld einige den MedAT nicht geschafft haben, habe ich mich aus Rücksicht zurückgehalten und wenig bis gar nicht über mein Studium gesprochen. Ich kann dir sagen: Das war schwer. Irgendwann lässt der Zauber aber ohnehin nach und der Drang darüber zu reden, verschwindet von ganz allein.  

Also an alle, die sich gerade von Bekannten oder Verwandten tagtäglich anhören müssen, wie toll doch das Medizin-Life ist: Keine Panik das vergeht. Und bis dahin, bitte einfach mitfreuen. 

Schluss

Alles in allem könnte man sagen, dass der größte Teil an Klischees gegenüber Medizinstudierenden eben wirklich nur Klischees sind. Ich persönlich versuche dem Ganzen inzwischen entspannt gegenüber zu stehen. Manchmal ist es gesünder, sich den Vorurteilen hinzugeben und nicht verzweifelt zu versuchen, bloß keines davon zu erfüllen. Gut, zu Ritalin würde ich natürlich dennoch keinem Raten. Jedes dieser Vorurteile hat, wenn man genauer darüber nachdenkt, auch wieder seine Berechtigung: Ist es denn so schlimm, in die Fußstapfen der Eltern zu treten und in ein bereits gut funktionierendes Arbeitsumfeld, in Form einer bestehenden Ordination, einzusteigen? Und in der Freizeit zu versuchen, das bisher erlernte Wissen anzuwenden um Zusammenhänge zu verstehen, hat eigentlich auch Sinn, oder nicht? Und dass man sich glücklich schätzen kann, wenn man im Studium einen Partner findet, mit dem man auch noch das Interesse an der Medizin teilt, sollte auch jedem einleuchten. 

So oder so ist es doch amüsant, sich anzuhören, was das Gegenüber von einem erwartet, nachdem man von seiner Studienrichtung erzählt hat. Wenn du den MedAT einmal erfolgreich hinter dich gebracht hast, kannst du dir endlich selber ein Bild davon machen, wie deine Kommilitonen so drauf sind. Dass das Studium eine ereignisreiche und lehrreiche Zeit wird, kann ich dir aber jetzt schon versprechen.  

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