Lektion 1, Thema 1
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Humangenetik

Skriptum

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Abstract

Als ein Teilgebiet der Genetik befasst sich die Humangenetik mit dem Genom des Menschen. Über vererbbare Krankheiten und verschiedene Vererbungsmuster haben wir bereits in dem Kapitel Genetik ausführlich gesprochen. Leidet ein Mensch an einer solchen Erbkrankheit, wirkt sich das meist auch auf dessen Fortpflanzung aus. Wie kann verhindert werden, dass dessen Nachkommen ebenfalls diese Krankheit bekommen? Umgekehrt werden nach einer neuen Diagnosestellung bei einem Patienten auch dessen nahe Verwandten untersucht. So können beispielsweise Stammbäume erstellt werden.

Stammbaumanalysen (neu 2022!)

Wenn in einer Familie in der Vergangenheit gehäuft eine vererbbare Krankheit aufgetreten ist, können sich Familienmitglieder bei bestehendem Kinderwunsch untersuchen lassen, um das Risiko für deren Nachwuchs abzuwägen. Dabei werden beispielsweise Stammbäume erstellt und analysiert. So ein Stammbaum könnte zum Beispiel folgendermaßen aussehen:

Männer sind als Quadrate dargestellt, Frauen als Kreise. Paare, die sich miteinander fortgepflanzt haben, sind durch einen waagrechten Strich verbunden. Über einen senkrechten Strich gehen aus dieser Verbindung die Kinder jenes Paares hervor. In dem abgebildeten Stammbaum wird die erbliche Hypercholesterinämie dargestellt. Die Betroffenen leiden an chronisch erhöhtem Cholesterinspiegel im Blut, was einen Risikofaktor für zahlreiche Krankheiten des Herz-Kreislaufsystems darstellt. Erkrankte sind in einem Stammbaum immer irgendwie markiert, in unserem Fall durch die rote Farbe.

 

Anhand eines Stammbaumes kannst du dir überlegen, welchem Vererbungsschema diese Krankheit folgt. Bei gonosomaler Vererbung ist ein Geschlecht (in der Regel Männer) weitaus häufiger betroffen als das andere. Autosomale Vererbung erfolgt unabhängig des Geschlechts, beide Geschlechter sind etwa gleich häufig betroffen, so wie in unserem Beispiel. Würde die Vererbung rezessiv erfolgen, wären nur wenige Individuen krank und es wären teilweise in einer Generation gar keine Betroffenen. Bei dominanter Vererbung sind mehr Individuen sowie jede Generation betroffen. Aus diesen Informationen kannst du dir ableiten, dass die erbliche Hypercholesterinämie autosomal dominant vererbt werden muss.

 

Hätte der erkrankte Mann aus Generation F3 nun einen Kinderwunsch und würde dich als Arzt oder Ärztin um eine genetische Beratung bitten, müsstest du dir überlegen, welchen Genotyp er bzw. seine Eltern wahrscheinlich haben. Dafür musst du immer im Hinterkopf behalten, um welche Vererbungsform es sich bei dieser Krankheit handelt, in unserem Fall autosomal dominant.

Sein Vater ist betroffen, seine Mutter nicht (Generation F2). Beide Kinder der beiden sind erkrankt. Somit können wir nicht sagen, ob sein Vater homozygot oder heterozygot erkrankt ist. Beide Elternteile des Vaters (Generation F1) sind heterozygot erkrankt, da diese wiederum jeweils einen gesunden Elternteil (Generation P) haben und somit nicht homozygot erkrankt sein können (autosomal dominante Erkrankung!). Die Kinder des Paares in F1 sind somit mit einer Wahrscheinlichkeit von 25% homozygot erkrankt, mit einer von 50% heterozygot erkrankt und mit einer von 25% gesund. Da der Vater des Ratsuchenden nicht gesund ist, fällt diese Option schonmal weg. Er könnte somit mit einer Wahrscheinlichkeit von 1/3 homozygot erkrankt und mit einer von 2/3 heterozygot erkrankt sein. Der Mann in F3, der dich um eine Beratung gebeten hat, ist jedoch in jedem Fall heterozygot erkrankt, da er eine gesunde Mutter hat. Somit wären seine Kinder mit einer gesunden Frau zu 50% heterozygot erkrankt und zu 50% gesund.

Dieser Stammbaum zeigt eine andere Vererbungsform: den X-chromosomal rezessiven Erbgang am Beispiel der Rot-Grün-Sehschwäche. Männer erkranken wesentlich häufiger als Frauen. Frauen fungieren jedoch als gesunde Übertragerinnen. In Generation F2 vermehrte sich eine Überträgerin mit einem erkrankten Mann, dadurch ist es möglich, dass auch eine ihrer Töchter (Generation F3) erkrankt. Müsstest du eine (homozygot) erkrankte Frau mit ihrem gesunden Partner genetisch beraten, könntest du eine sichere Aussage über die Erkrankungswahrscheinlichkeit aller Kinder treffen: Alle Söhne erkranken, da sie immer ein mutiertes X-Chromosom von ihrer Mutter bekommen. Alle Töchter werden gesunde Überträgerinnen, da sie ein mutiertes X-Chromosom der Mutter sowie ein gesundes X-Chromosom des Vaters erhalten.

Hier siehst du ein Beispiel für einen möglichen Stammbaum bei einer autosomal-rezessiv vererbten Krankheit. Wenn hier zwei gesunde Eltern ein krankes Kind zeugen, müssen diese beide Überträger (also heterozygot gesund) sein. In F2 zeugen kranke Frauen mit gesunden Männern Nachkommen. In der links abgebildeten Familie sind alle Kinder in F3 gesund, müssen aufgrund der kranken Mutter jedoch Überträger sein. In der rechts abgebildeten Familie bekommen die kranke Frau und der gesunde Mann ein krankes sowie ein gesundes Kind. Welche Aussage kannst du dahder über den Genotyp dieses Mannes treffen? Der Mann muss heterozygot gesund, also Überträger sein! Anders wäre es bei einer rezessiv vererbten Krankheit nicht möglich, dass deren Tochter erkrankt.

 

In dieser Familie sind nur Frauen erkrankt: Könnte es sich also um eine gonosomal vererbbare Erkrankung handeln? Nein, da alle erkrankten Frauen dann einen erkrankten Vater haben müssten. Immerhin wird die Krankheit rezessiv vererbt, erkrankte Frauen müssten also ein mutiertes X-Chromosom von ihrem Vater erhalten. Dass in diesem Stammbaum nur Frauen krank sind, ist also reiner Zufall.

 

Zur Vorbereitung für den MedAT rate ich dir, selbst mit Stammbäumen zu arbeiten. Suche dir eine Person aus dem Stammbaum aus und versuche, eine Aussage über deren Genotyp und die Wahrscheinlichkeiten der Genotypen von potentiellen Nachkommen zu treffen. Dafür musst du dir immer zuerst überlegen, um welches Vererbungsmuster es sich bei der entsprechenden Krankheit handelt!

Genetische Beratung (neu 2022!)

Für das Fachgebiet der Humangenetik gibt es eigene Fachärzte und -ärztinnen, die sich speziell mit dieser Thematik beschäftigen. Paare mit unerfülltem Kinderwunsch können sich dort genetisch beraten lassen, woran es liegen könnte, dass es zu keiner Befruchtung oder zum Fruchttod kommt. Auch wenn es in einer Familie beispielsweise gehäuft zu Krebserkrankungen kommt, kann dies eine Mutation als Auslöser haben und Familienmitglieder können sich beraten lassen, wie hoch ihr eigenes Erkrankungsrisiko ist. Ein bekanntest Beispiel ist die BRCA-Mutation. Aufgrund dieser Mutation hat sich z. B. die Schauspielerin Angelina Jolie, in deren Familie diese Mutation vorkommt, medienwirksam das Brustdrüsengewebe beider Brüste vorsorglich entfernen lassen, um ihr erhöhtes Risiko für Brustkrebs zu reduzieren.

In erster Linie wird bei der Analyse von genetischen Risiken meist ein Stammbaum erstellt, um dadurch weitere Aussagen über die Erkrankung und deren Vererbungsmuster treffen zu können. Zusätzlich können auf Wunsch des Patienten genetische Untersuchungen durchgeführt werden. Hierbei kann es auch Sinn machen, weitere Familienmitglieder wie beispielsweise Geschwister zu untersuchen.

Genetische Diagnostik (neu 2022!)

Im Rahmen einer genetischen Beratung wird den Betroffenen meist eine genetische Diagnostik angeboten, um die Ursache für beispielsweise deren unerfüllten Kinderwunsch zu erklären. Hierbei kann man sowohl auf zytogenetischer als auch auf molekulargenetischer Ebene Untersuchungen durchführen.

Zytogenetik

Hierbei werden die Chromosomen untersucht, wodurch Chromosomen- und Genommutationen festgestellt werden können. Eine diagnostische Möglichkeit ist die Erstellung eines Karyogramms. Hierbei werden alle Chromosomen dargestellt. Das Karyogramm eines gesunden Mannes siehst du auf diesem Bild.

Hier ein weiteres Karyogramm. Fällt dir etwas auf?

Dieses Karyogramm zeigt einen Mann mit 47 Chromosomen. Hierbei handelt es sich um eine der häufigsten angeborenen Genommutationen, dem Klinefelter-Syndrom. Dies entsteht durch eine fehlende Trennung der Chromosomenpaare oder Chromatiden während der Meiose. Betroffene haben männliche Geschlechtsorgane, allerdings führt das zusätzliche X-Chromosom zu einer Unterentwicklung der Hoden und somit zu einer fehlenden oder verringerten Spermienproduktion, weshalb die meisten dieser Männer unfruchtbar sind. Käme ein Mann mit unerfülltem Kinderwunsch zur Beratung, könnte dies also eine mögliche Ursache sein, die bei der zytogenetischen Untersuchung festgestellt wird.

 

Eine weitere Untersuchungstechnik, die in der Zytogenetik zum Einsatz kommt ist die Fluoreszenzmikroskopie. Hierbei kann überprüft werden, wie häufig und an welcher Stelle ein gewisser DNA-Abschnitt in einem Genom vorkommt. Hierzu wird der komplementäre DNA-Strang zu dem gesuchten Abschnitt mit einem Fluoreszenzfarbstoff markiert. Diese komplementären Stränge werden zur DNA der untersuchten Person hinzugegeben und es kann zu einer Bindung kommen. Bei Betrachtung unter dem Mikroskop leuchten die entsprechenden Abschnitte durch den Fluoreszenzfarbstoff in der jeweiligen Farbe. Mit verschiedenen Farbstoffen können somit sogar mehrere Abschnitte gleichzeitig untersucht werden. Diese Methode wird beispielsweise zur Diagnose von Chromosomenmutationen eingesetzt. Fehlt ein Abschnitt des Chromosoms? Hängt der Abschnitt an einem anderen Chromosom? Wurden zwei Abschnitte vertauscht? Kommt ein Abschnitt doppelt vor? Solche Fragen können mittels Fluoreszenzmikroskopie beantwortet werden.

Molekulargenetik

In molekulargenetischen diagnostischen Verfahren werden bestimmte Gene oder DNA-Abschnitte auf Genmutationen untersucht. Hierbei wird mittels DNA-Sequenzierung die Abfolge der Nukleotide bestimmt.

Eine Methode zur DNA-Sequenzierung ist die Didesoxymethode nach Sanger. Hierbei wird die DNA zuerst erwärmt, sodass sich die beiden Stränge trennen. Anschließend wird ein Primer (eine kurze komplementäre Sequenz) hinzugegeben, der an einem der Einzelstränge ansetzt und dort durch eine Polymerase verlängert wird. Neben normalen Nukleotiden stehen zur Verlängerung jedoch auch veränderte Nukleotide zur Verfügung, die an ihrem 3‘-Ende keine Hydroxyl-Gruppe haben, wodurch kein weiteres Nukleotid angehängt werden kann. Darüber hinaus sind diese Nukleotide radioaktiv markiert, sodass man später herausfinden kann, um welches der vier möglichen Nukleotide es sich dabei handelt. Wird ein solch verändertes Nukleotid eingebaut, kommt es also zum Kettenabbruch. Dadurch entstehen viele Abbruchprodukte in verschiedenen Längen, die mittels eines Verfahrens (Gelelektrophorese) der Länge nach geordnet werden. Durch die Markierung kann man von jedem dieser Abbruchprodukte sagen, um welche der vier Base es sich bei der letzten Base dieses Stranges handelt. Somit gibt die Sequenzierung Auskunft über die Abfolge der Basen, wodurch selbst Punktmutationen diagnostiziert werden können.

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